Samstag, 6. Februar 2010

Die „Allgemeine Erklärung der Menschenrechte" als Teil der evangelischen „Bekenntnisschriften" oder der „Kirchlichen Lebensordnung"

Heinz F. Dressel

Als wir im Dezember 1948 als junge Studenten, die gerade noch dem „Heldentod" und, wer weiß, im schlimmsten Fall sogar dem KZ, entgangen waren, in der „Neuen Zeitung" zum ersten Mal von der „Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte" hörten, war es uns so ums Herz, wie vielleicht den Israeliten, als Moses ihnen die „Zehn Gebote" („Du sollst nicht töten!") verkündete, oder den Wittenbergern, als sie Luthers „95 Thesen" vernahmen. („Man soll den Christen lehren: Dem Armen zu geben oder dem Bedürftigen zu leihen ist besser, als Ablass zu kaufen, denn durch ein Werk der Liebe wächst die Liebe und wird der Mensch besser ...44/45; oder auch: „Man soll die Christen lehren: Die, die nicht im Überfluss leben, sollen das Lebensnotwendige für ihr Hauswesen behalten und keinesfalls für den Ablass verschwenden." 47)

Auch nach drei Jahren des Überlebens inmitten zerbombter Städte mit einer fast gänzlich zusammengebrochenen Verwaltung, einer prekären Lebensmittelversorgung, die zwangsläufig Phänomene wie Hamstern und Schwarzmarkt nach sich zogen; da war auch das Elend der heimkehrenden Landser, oft mit entsetzlichen Verwundungen oder Verstümmelungen, darüber hinaus das herzbewegende Flüchtlingselend bei chronisch mangelndem Wohnraum - nach alledem standen wir noch immer unter dem Trauma des Krieges und der Hitlerdiktatur.

Nicht nur über die Presse und durch riesige, von der Besatzungsmacht aufgestellte Plakate mit erschütternden Bildern von den „Todesmühlen" der Nazis in Dutzenden von Konzentrationslagern erfuhren wir vom Ausmaß der Verbrechen, die von unseren „Führern" aller Art angeordnet und auch selbst begangen worden waren; wir kamen nun - von Mensch zu Mensch, um es so zu formulieren - mit Opfern der Diktatur, mit „KZlern", wie sie verächtlich bezeichnet wurden, in Berührung, unter ihnen insbesondere Ostjuden die, ausgemergelt und traumatisiert, den „Todesmühlen" entronnen waren, dank ihrer Befreiung durch die Alliierten.

Unter solchen Umständen, in einer derartigen „Atmosphäre", wie sie uns in den ersten Nachkriegsjahren umgab, nach all dem, was wir an Menschenverachtung erlebt und zu Ohren bekommen hatten, war es wie eine Offenbarung, wie „euangelion", Evangelium, frohe, erlösende Botschaft, einen Satz wie diesen zu vernehmen: „Die Würde des Menschen ist unantastbar ..."

In einer Wirklichkeit, in welcher Superlative der Brutalität und der Versklavung die Regel gewesen waren, sprach man mit einem Male von der „angeborenen Würde und den gleichen und unveräußerlichen Rechten aller Mitglieder der Gemeinschaft der Menschen" auf der „Grundlage von Freiheit, Gerechtigkeit und Frieden."

Nach all dem, was wir quasi von Kindesbeinen an erlebt und aufgenommen hatten, war die von der UNO-Vollversammlung am 10. Dezember 1948 verkündete „Allgemeine Erklärung der Menschenrechte" eine Offenbarung, die alles übertraf, was wir bis dahin gehört hatten.
Was hatten wir denn gehört - in der Familie, im Kindergarten, in der Kirche, in der Schule und im „Deutschen Jungvolk"?

Als kaum alphabetisierten Knäblein legte man uns die Streichersche „Judenfibel" auf den Tisch, wo wir unter hässlich karikiertem menschlichen Figuren Verse lesen konnten, wie diesen: „Trau keinem Fuchs auf grüner Heid und keinem Jud bei seinem Eid."

Im Kindergarten sangen wir, neben „"Lippe Detmold, eine wunderschöne Stadt, darinnen ein Soldat, und der muß marschieren in den Krieg, wo die Kanonen stehen ...", noch viele „vaterländische" Lieder , wie:

„Morgenrot, Morgenrot,
leuchtest uns zum frühen Tod.
Bald wird die Trompete blasen,
dann muß ich mein Leben lassen,
ich und mancher Kamerad."

Als wir mit 10 Jahren zum „Jungvolk" kamen, zogen wir singend durch die Stadt, solche „Kampflieder" auf den Lippen:

„Blutig rot sind unsre Fahnen,
die den Weg zur Freiheit bahnen.
Über Sowjetbarrikaden
marschieren die HJ- Brigaden.
Kamerad, reich mir die Hände,
alle Knechtschaft hat ein Ende:
Köpfe rollen, Juden heulen,
die HJ marschiert, Marxisten an die Wand!
Ja, nationale Sozialisten
kämpfen für ihr Vaterland."

Niemals hat auch nur ein einziger ehrbarer Bürger gegen derartige Gesänge protestiert oder uns den Mund verboten.

Auch in der Kirche war von „pax intrantibus" - Friede den Eintretenden" - dem schönen Gruß, den man einst über der Pfarrhaustür ins Mauerwerk eingemeißelt hatte, wenig zu spüren. Auch dort ging es nach dem Motto:

„Der Gott, der Eisen wachsen ließ,
der wollte keine Knechte,
drum gab er Säbel, Schwert und Spieß
dem Mann in seine Rechte,
drum gab er ihm den kühnen Mut,
den Zorn der freien Rede,
dass er bestände bis aufs Blut,
bis in den Tod die Fehde."

Wenn ich heute versuche, mich an die Botschaft zu erinnern, die der Gemeinde von der Kanzel aus vermittelt worden ist, fällt mir vor allem ein, dass der „alte Fritz", der preußische König „Friedrich der Große", zu den beliebtesten Beispielen gehörte, auf die unser Pfarrer in seinen Predigten rekurrierte.

Als im Juli 1944 nur noch 9 Monate bis zum Sieg der Alliierten über Nazi-Deutschland fehlten, wurde ich in einer lutherischen Kirche in Oberfranken konfirmiert. Auf dem Konfirmationsschein fand sich die Reproduktion eines Bildes von Arthur Kampf mit der Darstellung der „Segnung der Kriegsfreiwilligen". Wir 14-Jährigen, offensichtlich das letzte Aufgebot zur Verteidigung des Vaterlands, wurden präzis auf unsere Aufgabe eingestimmtr und erhielten den Segen der Kirche um zu siegen oder zu sterben.

Ein freundliches Andenken, das der Konfirmator seinem confirmandus in die Hand drückte, war den „Katechismus" von Ernst Moritz Arndt. Das 5. Gebot - Du sollst nicht töten - hatte eine Fußnote, die besagte: „gilt im Kriege nicht."

Für alle, die jene düsteren Jahre nicht miterlebt haben, mag es schwer sein, sich vorzustellen, welche Wirkung in der Adventszeit des Jahres 1948 eine Botschaft auf uns haben mußte, deren 1. Artikel wie ein gewaltiges Präludium eines Bachschen Oratoriums mit den Worten begann: „Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren. Sie sind mit Vernunft und Gewissen begabt und sollen einander im Geiste der Brüderlichkeit begegnen." Mit der „Universal Declaration of Human Rights" sollte „das von allen Völkern und Nationen zu erreichende gemeinsame Ideal" vorgegeben werden, an dem sich dann jeder Einzelne und alle Organe der Gesellschaft orientieren sollten.

Das gemeinsame Ideal ist dann mit Beginn des „"cold war" und der letzten Zuckungen des Kolonialismus - von Korea über Vietnam und Mozambique bis hin zur Südafrikanischen Union - sehr schnell in Vergessenheit geraten, wie wir wissen.

Die Charta der Vereinten Nationen ist mitnichten zur regula vitae geworden, genau so wenig wie Barmen oder Stuttgart.

Worum war es in Barmen gegangen?

Mitten im Kirchenkampf war die „Theologische Erklärung" der Bekenntnissynode von Barmen (29. - 31. Mai 1934) für die evangelischen Kirchen ein wegweisendes Lehr- und Glaubenszeugnis der evangelischen Kirche im 20. Jahrhundert. Nach dem Verständnis der Evangelisch-reformierten Kirche und der Evangelischen Kirche der Union handelt es sich um ein Bekenntnis verpflichtenden Charakters, auch über die Zeit des Kirchenkampfes während des „Dritten Reiches" hinaus, ein Bekenntnis gleichen Ranges wie z. B. die „Schmalkaldischen Artikel". In der Evangelisch- lutherische Kirche hingegen gab es von Anfang an Bedenken, schon bezüglich des Sprachgebrauchs: „Barmer Bekenntnis" oder „Theologische Erklärung von Barmen"? Nach Kriegsende erzählte man sich, ein prominenter bayerischer Lutheraner habe, als er sich in Stuttgart gegen den terminus „Barmer Bekenntnis" verwahrte, die ironische Frage eines seiner Kollegen eingehandelt: „aber Herr Amtsbruder, haben Sie in Barmen nicht bekannt?" Immerhin bekannten sich die in Barmen versammelten Repräsentanten der evangelischen Kirchen des Landes „angesichts der die Kirche verwüstenden und damit auch die Einheit der Deutschen Evangelischen Kirche sprengenden Irrtümer der Deutschen Christen und der gegenwärtigen Reichskirchenregierung zu den „evangelischen Wahrheiten", die dann in 6 Thesen näher ausgeführt wurden.

Historisch relevanter als die in diesen Thesen enthaltenen Affirmationen erscheinen die Passagen zur Abwehr von Positionen, die der Botschaft des Evangeliums konträr gegenüber standen, z.. B. „Wir verwerfen die falsche Lehre, als gebe es Bereiche unseres Lebens, in denen wir nicht Jesus Christus, sondern anderen Herren zu eigen wären." (aus These 2) Oder: „Wir verwerfen die falsche Lehre, als dürfe die Kirche die Gestalt ihrer Botschaft und ihrer Ordnung ihrem Belieben oder dem Wechsel der jeweils herrschenden weltanschaulichen und politischen Überzeugungen überlassen." (aus These 3) Oder auch: „Wir verwerfen die falsche Lehre, als solle und könne der Staat über seinen besonderen Auftrag hinaus die einzige und totale Ordnung menschlichen Lebens werden und also auch die Bestimmung der Kirche erfüllen. Wir verwerfen die falsche Lehre, als solle und könne sich die Kirche über ihren besonderen Auftrag hinaus staatliche Art, staatliche Aufgaben und staatliche Würde aneignen und damit selbst zu einem Organ des Staates werden." (aus These 5)

Nicht wenige messen der „Theologischen Erklärung der Bekenntnissynode von Barmen" über ihre Bedeutung in der Hitlerzeit hinaus verpflichtende Bedeutung bei, einige zählen sie zu ihren Bekenntnisgrundlagen.

Das Problem war die Applikation!

Dietrich Bonhoeffer hatte allen Grund, die „Bekennende Kirche" post Barmen zu rügen. Sie hatte sich mehr mit internen und theologischen Problem als mit existentiellen und drängenden politischen Fragen befasst. Da war der „Arierparagraph", den die Kirchenleitungen sogar ergeben auf ihre eigenen Amtsträger anwandten. Da war der himmelschreiende Rassismus, der 1938 zur „Kristallnacht" führte. Da war das perfide Gesetz, welches den jüdischen Mitbürger zwang, den Davidstern - zum Zeichen der Feindschaft gegen das deutsche Volk erklärt - deutlich sichtbar an seiner Kleidung zu tragen. Damals soll Bonhoeffer gesagt haben: „Nur wer gegen die Verfolgung der Juden schreit, hat das Recht, gregorianisch zu singen."

Über ihre faktische oder praktische Wirkung während der auf die Barmer Bekenntnissynode folgenden Jahre bis zum Ende des „Dritten Reiches" braucht nach dem bisher Angesprochenen weiter nichts gesagt zu werden.

Bereits wenige Monate nach der Kapitulation am 8. Mai 1945 traf sich, trotz des völlig paralysierten Verkehrswesens in den vier Besatzungszonen, am 18. und 19. Oktober 1945 der „Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland" im französisch besetzten Stuttgart zu seiner ersten Sitzung nach dem Krieg. Die Versammelten standen einem gänzlich unrühmlichen kirchlichen Erbe, das sie selbst, der eine mehr, der andere weniger, mit verschuldet hatten, gegenüber.

Er ist ihnen zu danken, dass sie sich im „Stuttgarter Schuldbekenntnis", als welches es in die Geschichte eingegangen ist, zur „Solidarität der Schuld" bekannten: „Mit großem Schmerz sagen wir: Durch uns ist unendliches Leid über viele Völker und Länder gebracht worden. Was wir unseren Gemeinden oft bezeugt haben, das sprechen wir jetzt im Namen der ganzen Kirche aus: Wohl haben wir lange Jahre hindurch im Namen Jesu Christi gegen den Geist gekämpft, der im nationalsozialistischen Gewaltregiment seinen furchtbaren Ausdruck gefunden hat; aber wir klagen uns an, dass wir nicht mutiger bekannt, nicht treuer gebetet, nicht fröhlicher geglaubt und nicht brennender geliebt haben."

„Wir hoffen zu Gott, dass durch den gemeinsamen Dienst der Kirchen dem Geist der Gewalt und der Vergeltung, der heute von neuem mächtig werden will, in aller Welt gesteuert werde und der Geist des Friedens und der Liebe zur Herrschaft komme, in dem allein die gequälte Menschheit Genesung finden kann. So bitten wir in einer Stunde, in der die ganze Welt einen neuen Anfang braucht: Veni creator spiritus!"

Zu den Unterzeichnern zählten nicht nur die Landesbischöfe D. Theophil Wurm und D. Hans Meiser, Bischof D. Dr. Otto Dibelius, die Pastoren Heinrich Held, Wilhelm Niesel und auch der spätere Bundespräsident, Dr. Dr. Gustav Heinemann, sondern auch Pastor Martin Niemöller D.D. und Landessuperintendent Dr. Hanns Lilje, die im Konzentrationslager der eine und im Gestapogefängnis der andere, die Repression der Nationalsozialisten am eigenen Leibe erlitten hatten. Niemöllers Haltung war gerade in den ersten Jahren nach dem Krieg bei vielen Gemeindegliedern und auch bei manchen Kirchenleitungen ziemlich umstritten. Eine große Breitenwirkung hatte das „Stuttgarter Schuldbekenntnis"- trotz aller Beachtung eindrücklicher statements von Zeitzeugen wie Niemöller und Lilje - aufs Ganze gesehen, nicht erzielen können.

So lief die Zeit, und nach Barmen und Stuttgart kam die UNO- „Universal Declaration of Human Rights" am 10. Dezember 1948 aus New York. Hätte sie es nicht verdient, zu den wichtigsten Dokumenten der Menschheit gezählt zu werden ? Hätte es nicht auch den Kirchen besser angestanden, anstatt an hohen Feiertagen immer wieder einmal das Constantinopolitanum zu rezitieren? Wäre es die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte nicht wert gewesen, sie den uralten „Bekenntnissen" hinzuzufügen oder sie wenigstens als verpflichtenden Bestandteil in die „Ordnung des kirchlichen Lebens" aufzunehmen?

Sind die „Bekenntnisschriften" tatsächlich abgeschlossen? „Finitum" ist der Kanon der „Bekenntnisschriften" höchstens in dem Sinne, dass kaum jemand - von Examenskandidaten abgesehen - mehr ihn liest, die umstrittene „Konkordienformel" zum Beispiel (obwohl sich gerade in dieser so wunderbare Paragraphen finden, wie z. B. DE LEGE ET EVANGELIO?

Eine Kirche besass den Mut, die UNO-Charter verbindlich in ihre theologische „Konstitution" und Lebenspraxis aufzunehmen: Die Evangelische Kirche am Rio de La Plata (IERP), mit Gemeinden in Argentinien, Paraguay und Uruguay, mit Sitz der Kirchenverwaltung in Buenos Aires, Argentinien.

In den 70er Jahren war die argentinische Gesellschaft in irrationale Gewalt versunken und befand sich am Rande einer totalen Anarchie. Die Streitkräfte griffen ein, um, wie sie sagten, die Subversion zu überwinden und die wirtschaftliche Entwicklung des Landes anzukurbeln. Weite Kreise der Bevölkerung akzeptierten die Militärherrschaft. „Wie so oft in Krisenzeiten, wird der Staatsstreich von einem Teil der Gesellschaft mit einer gewissen Erleichterung hingenommen", schrieb Flávio Koutzii, der von den Militärs vier Jahre lang eingekerkert worden war, 1984 in seinem Buch Pedaços de Morte no Coração.

Die protestantischen Einwandererkirchen unterschieden sich bezüglich ihrer Stellung zu den Militärs im Prinzip nicht von der katholischen Kirche, welche die argentinische Armee als ein „Element der Sauberkeit, der Kompetenz und der Stabilität" betrachte. Pastor Enrique Bösenberg konstatiert (Revista Parroquial de la IERP, Marzo 2001): „In den Leitungsgremien und in den Pfarreien begrüßte man überwiegend die Militärdiktatur und leugnete die Tatsache der Entführungen und Folterungen." Der Berichterstatter fügt barmherzigerweise hinzu: „Dieses Abstreiten war eine künstliche Blindheit, um der Wirklichkeit nicht in die Augen sehen zu müssen ... Jedenfalls brachten es die historischen protestantischen Kirchen, obgleich sie sich in ihren Gemeinden selbst mit dem Phänomen der „Verschwundenen" konfrontiert sahen, nicht fertig, eine konkrete und umfassende Verurteilung des Militärregimes zu artikulieren." Vieles an diesem Rückblick erinnert an die Verhältnisse im deutschen Mutterland in den 30er und 40er Jahren.

Es muss allerdings angefügt werden, dass sich diese Kirchen bereits vor dem Militärputsch der politischen Flüchtlinge aus Uruguay und Chile angenommen hatten, z.B. mittels des von P. Armin Ihle verwalteten Programms Comisión Argentina para los Refugiados (CAREF). „Bereits vor dem Putsch und vor der Initiative des Weltrats der Kirchen (CMI) hatten die historischen protestantischen Kirchen auf die Nöte der politischen Flüchtlinge aus Uruguay und Chile reagiert; ihr Engagement im Rahmen der Bewegung zur Verteidigung der Menschenrechte schloss allerdings nicht zugleich die Verurteilung der Diktatur als solche ein. Die EKALP begrüßte die Repression der Subversion, verurteilte jedoch die Exzesse bei der Durchführung derselben."

Der damalige Kirchenpräsident Peter Lienenkämper besass allerdings den Mut, beim Besuch einer Delegation des Weltrats der Kirchen zu erklären: „Ein so unerhörtes Geschehen wie Raub und Folterung einer Person beim Namen zu nennen, wer immer auch die Täter sein mögen, ist [...] die Pflicht eines Christen, und man kann sie nicht mit dem Schlagwort antiargentinische Kampagne disqualifizieren." „Allerdings wurde die Haltung Lienenkämpers nicht von der Mehrheit geteilt." (Walter Techera, Revista Parroquial de la IERP, Abril 1996) Sein Nachfolger im Amt, Rodolfo R. Reinich, der seinerzeit auf mein Ersuchen hin u. a. einen seit Jahren inhaftierten politischen Gefangenen aus Córdoba regelmäßig besuchte, erklärte in einem „Brief des Kirchenpräsidenten" (4/1996) in Erinnerung an die Ereignisse der Periode 1976 bis 1983: „Als evangelische Gemeinden müssen wir bekennen, dass wir oft geschwiegen haben, wenn wir hätten reden sollen und dass wir diejenigen allein gelassen haben, die den Mut hatten, Gewalttätigkeiten anzuzeigen und etwas zu machen, um Menschenleben zu retten, während wir uns vom Los jener, die anders dachten und handelten als wir, fern hielten."

Die bittere Erfahrung der EKALP während der Zeit der Diktatur hatte am Ende die Einbeziehung der UNO-Declaration of Human Rights von 1948 in die „Ordnung des kirchlichen Lebens" zur Frucht. Darin heißt es in Art. 6 u. a.: „Es gehört zum Auftrag der Kirche, Verantwortung auch im Blick auf die Gesellschaft, in der wir leben, zu tragen, insbesondere bezüglich der Verteidigung der Menschenrechte (Allgemeine Erklärung der Menschenrechte 1948)." Regime Eclesial de la Iglesia Evangelica del Rio de la Plata (1998) Art 6.

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