Donnerstag, 26. Februar 2009

Macht über die Geister


Wenden wir uns nach diesem Exkurs nun wieder den spezifischen Merkmalen der guaranitischen Kultur, und nunmehr speziell der Stellung der Schamanen innerhalb der indigenen Gemeinschaft, zu, wie der paraguayische Ethnologe Efraim Cardozo sie einfühlsam beschreibt:

Man konsultierte die Schamanen bei jeder Gelegenheit, z.B. ehe man sich auf den Kriegspfad begab, was sehr häufig geschah, und man bat um ihr Eingreifen, wenn es zu besonderen Schwierigkeiten oder gar zu Katastrophen gekommen war. Sie kurierten die Krankheiten und wehrten bösen Zauber ab; sie neutralisierten Flüche und sagten die Zukunft voraus. Einige payés behaupteten von sich, sie seien allmächtig wie die Götter, die einst Himmel und Erde erschufen, und besässen, wie jene, auch Macht über die Phänomene der Natur, mit welcher sie nicht nur zu bewirken vermochten, dass kräftige Regengüsse aus den Wolken fielen, sondern mit der sie auch verheerende Trockenheit über die Erde kommen zu lassen vermochten. Sie versicherten, die Macht über Elemente der Natur sei in ihre Hände gelegt, so dass es ihnen sogar möglich sei, die Erde zu zerstören und neu zu erschaffen, wie es der von Montoya zitierte Guyrá - Verá del Guayrá - einmal von sich gesagt hatte. Man glaubte, dass die payés aufgrund ihrer mythischen Kräfte des weiteren auch Krankheiten oder sogar den Tod über die Menschen bringen konnten, oder dass sie Nahrung zu schaffen und sogar Tote wieder zum Leben zu erwecken vermochten.

Die payes erhielten ihre Macht aufgrund ihres Umgangs mit den Geistern. Ihr Zaubergerät was die maraca, eine bemalte Kalabasse, die mit einem Pfeil und mit Federn geschmückt war. In der Kalabasse befanden sich ygá genannte Samenkörner, deren durch Schütteln erzeugtes Geräusch als die Stimme der Geister verstanden wurde, die jedoch allein der payé zu interpretieren wusste. Die payés verrichteten ihre Aufgaben im Zustand der Trance. Um in Trance zu gelangen, zogen sie sich für etliche Tage, ständig Zigarren rauchend, in eine runde Hütte zurück, bis die Geister zu sprechen begannen.

Neben dem Tabak spielen häufig auch bestimmte Drogen, eine Rolle. Sie werden „aus dem getrockneten Saft einer Baumrinde und kleinblättrigen Pflanzen hergestellt." Otto Zerries (Die Erben des Inka-Reiches und die Indianer der Wälder, 1974) erläuterte, wie Kindlimann berichtet, das spirituelle Denken der Yanomami: „... im Himmel oder im Zwischenreich zwischen Himmel und Erde sind die wichtigsten spirituellen Wesen, welche die Yanomami kennen, die hekura beheimatet. Die meisten von ihnen stehen in tierischer, selten in menschlicher Gestalt den Tier- und Pflanzenarten auf der Erde vor. Sie kommen beim hekulamo, der Anrufung durch die Schamanen, von oben von den Bergen herab oder gehen am Himmel entlang. Sie reisen im Winde, der deshalb entsprechend dem als freundlich oder als feindlich empfundenen Charakter des jeweiligen hekura entweder freudig begrüßt oder ängstlich abgewehrt wird. Die hekura dringen in winziger Gestalt in die Brust des Schamanen ein, der durch bestimmte an sie gerichtete Gesänge ... über eine Anzahl von ihnen Macht gewonnen hat ... Die jeweiligen hekura, über die der Schamane gebietet, sind seine Hilfsgeister, sowohl bei der Krankenheilung und anderen Verrichtungen der „Weißen Magie" als auch bei der Ausübung der „Schwarzen Magie" gegen Feinde. Abgesehen von Anrufungen im Rahmen von Krankenheilungen ist die Mehrzahl der im Dorf am Nachmittag angestimmten Gesänge der Schamanen darauf angelegt, den Feinden Schaden zu senden." (Auch am Vorabend eines geplanten Jagdzuges werden die Geister angerufen, um eine reichliche Jagdbeute zu erbitten.)

„Die Sanemà behaupten von den hekura der Tiere und Pflanzen: „Sie waren in der Urzeit Menschen und sprachen wie wir." Eine ähnliche Auffassung haben auch die Zentralen Yanoama; danach entstanden diese Speziesgeister durch den Tod oder Verwandlung der Urzeitmenschen no pata be oder Wesen der Urzeit, die noch Mensch und Tier zugleich waren, Damals war, so formuliert es ein Forscher der Sanemà, noch alles im Fluss und vielgestaltig; die heutigen hekura sind keine konkreten Verkörperungen, sondern ewige, unsterbliche, spirituelle, aber aktive Wesenheiten der einzelnen Tier- und Pflanzenarten." (Kindlimann, pg. 179 ff.)

Bei den Guaranies wurden die Kranken mittels starken Rauches - petyn - den die payés aus langen Rohren in die Luft bliesen, durch magische Kraft imprägniert. Mittels dieser Prozedur übertrugen sie ihre magischen Kräfte auch auf ihre Schüler. Die Schamanen nahmen auch die in aller Öffentlichkeit abgelegte Beichte der Frauen ab und führten kollektive Reinigungsriten mittels Besprengung (aspersio) oder Waschung aus.

Berühmte payés der Mbyá-Guaranies wurden auch nach ihrem Tode noch mit religiöser Inbrunst verehrt. Wenn sie verstarben, wurden ihre Gebeine in besonderen Grabstätten aufbewahrt, die sich an abgelegenen Orten befanden, an denen reichlich Früchte gediehen. Dort suchten Pilger gegen Geschenke - und das waren in der Regel Früchte, die in der Umgebung des Grabes gediehenen, und die dann zu Ehren des verehrten payés ehrfürchtig niedergelegt wurden - Rat und Hilfe. Der eingeborene Priester war payé, wurde jedoch auch Avare genannt, was bedeutet: „der Mensch gewesen ist". Eloy Fariña Núñez sagte einmal, dass Paje alles bedeutet und in sich schließt, was mit Magie, Zauberei und Hexerei zu tun hat.

Keine Kommentare: