Donnerstag, 26. Februar 2009

Die „Teocosmologia Guarani"


„Im Mythos des Mbyá „erschuf Unser Vater das Fundament der menschlichen Sprache und ließ sie an seiner eigenen Göttlichkeit teilhaben, lange bevor die Erde existierte (...) als er in aller Gründlichkeit über die in seiner eigenen Göttlichkeit begründete Weisheit reflektierte, um daraufhin, entsprechend seiner schöpferischen Weisheit, diejenigen zu erschaffen, die in der Folge Gesellen und Gesellinnen seiner Divinität sein würden." (Cadogan, 1959, p 19, 21) Infolgedessen wurde die Menschheit, welche die erste Erde bewohnte, durch das Wort und in dem Wort geschaffen, durch die göttliche Substanz und in dieser göttlichen Substanz. (Chamorro, Graciela, A Espiritualidade Guarani: uma Teologia Amerindia da Palavra, São Leopoldo, 1998, S. 95ff.)

Die Mbiá wie auch ihre Verwandten, die Kaiová, sprechen von einem Schöpfergott namens Jusu Papa, „Nosso Avô", oder „Unser Urahne", und benutzen damit eine maskuline Form der Rede. Es scheint jedoch, wie Graciela Chamorro bemerkt, dass diese Form eine feminine Vorform gehabt habe, nämlich Jasuka. Dieser Name bezieht sich auf die schöpferische und erhaltende Substanz der Gottheiten, die aller Dinge Quelle und Ursprung ist. Aus ihr wurde auch Jusu Papa geboren und erblickte das Licht der Welt, Jusu Papa, der an Jasukas Brust gestillt worden war. Im Kaiova-Gurarani-Verbum für unseren Begriff „auf die Welt kommen" bzw. „geboren werden" (nascer) kling die Bedeutung von „entfesselt oder entwickelt werden" mit, d.h., dass stets bereits etwas vorhanden gewesen ist, ehe Neues geschaffen wurde. Graciela Chamorro weist darauf hin, wie fremd dem Denken der Guaranies die abend-ländische Vorstellung einer creatio ex nihilo sein muß! Das Verbum „erschaffen" beinhaltet in der Sprache der paraguayischen Eingeborenen so viel wie das Hervortreten von etwas latent bereits Vorhandenem, so viel wie die Umwandlung der Potenz in die Aktion. Nach Cadogan bedeutet „erschaffen" so viel wie „bewirken, dass sich etwas entwickle, sich öffne, dass es geschehe". Demzufolge wäre Jasuka nach Cadogan „aller Dinge Anfang, sogar der Anfang der Götter" selbst. Jasuka „erfüllt und umfängt das gesamte Universum mit allem und mit allen." In den Augen Cardogans ist Jasuka weder Person noch Gott, sondern ein Prinzip der Emanation, das mütterliche Prinzip der guaranitischen Teocosmologia, wie Graciela Chamorro die Weltanschauung der Guaranies bezeichnet. (A Espiritualidade Guarani, S. 95/96)

Jasuka ist übrigens auch die religiöse Bezeichnung für den Korb. Im Bild des Korbes vereinen sich die wesentlichen Rollen oder Funktionen der Frau in der indigenen Gemeinschaft.

Die Verbindung von Weiblichkeit als dem heiligen „Erstgeborenen Prinzip" und der seit prähistorischer Zeit gültigen Verehrung der Frau als Lebensspenderin, als welche sie die tägliche Erfahrung in der Gemeinschaft der Eingeborenen auswies, ist in der guaranitischen Kultur ebenso fest verankert wie die Bedeutung der Frau auch als Beschafferin der lebenswichtigen Nahrung und als Herstellerin fast aller zum Überleben erforderlichen Gerätschaften, bemerkt Marta Vanaya, Mitos y leyendas guaraníes, Madrid 1986, S. 12)

Keine Kommentare: